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23.03.2020: e-Gurgaon/Gurugram, Urbanisierungsprozesse in Indien

A Visual Tour | Cyber City Gurgaon (Gurugram) | Haryana © Dezi Boyz Returns

Heute ging es in unserer e-Exkursion nach Gurgaon bzw. Gurugram. Eigentlich waren wir auf der R-Exkursion (gemeint: der real stattgefunden habenden) ja bereits in dieser Boomtown angekommen und waren im Begriff, dieses Paradebeispiel rasanter, globalisierter Stadtentwicklung in Indien erkunden. Aber bedingt durch den Rückreisebeschluss mussten wir deren genaue Inaugenscheinnahme gegen lange Warte- und Organisationszeiten am Flughafen eintauschen.

Bei meinem ersten Besuch von Gurgaon 2005 – nota bene: vor nur fünfzehn Jahren! – befanden sich große Teile der heute gut eine Million Einwohner zählenden Metropole im Aufbau. Damals fuhren wir entlang von großflächigen, für Bauarbeiten vorbereiteten Flächen, die noch kurz zuvor zumeist Acker-, teils Brachland gewesen waren. Bauerwartungsland und erste große Baustellen beherrschten damals die Szenerie. Die Kleinstadt Gurgaon an der Stadtgrenze von Delhi, aber zur National Capital Region gehörend, wurde Ende der 1990er Jahre aufgrund seiner Nähe zum internationalen Flughafen in kurzer Zeit zum Globalisierungshub. 2016 wurde sie in Gurugram umbenannt – Dorf des Gurus -, vorgeblich, um die historische und mythologische Bedeutung eines Droṇāchārya bzw. Guru Droṇ, einer Inkarnation Brahmas, zu würdigen.

Der rasante Aufstieg der neuen Stadt „aus der Retorte“ wird sichtbar in Filmdokumentationen wie etwa „Gurgaon, the new urban India“ oder „Gurgaon: India's Private City“. Hier finden sich Interviewaussagen, die von großen landwirtschaftlichen Flächen berichten: Vor 30 Jahren, „Gurgaon was nothing more than a plot of rocky soil, with a small market place and no railway link with the rest of the country“. A „sleepy, dusty, quite town with no municipal government“. Zahlreiche internetverfügbare Dokumente belegen die massive Umgestaltung durch Infrastrukturbau, die Errichtung zahlreicher Büro- und Wohnhochhäuser in internationalen Stilrichtungen. Bewohner der gated colonies heben die guten Sicherheitsstandards, große Parks und Freiflächen, die hohe Qualität der Wohneinheiten und Freizeiteinrichtungen hervor. Auch preisen sie das internationale Niveau der Dienstleistungen – von Gesundheits- und Bildungsreinrichtungen bis zu vielen Shopping Malls, Entertainment- und Sportstätten – und die rund um die Uhr funktionierende Versorgung mit Wasser, Elektrizität und Kommunikationsverbindungen.

Das Unternehmen „Delhi Land & Finance“ (DLF) war der erste und ist bis heute der größte und dominante private Investor. Marketingfilme zeigen die eigene, privat betriebene Metrolinie und zahlreiche postmodern gestaltete Büro- und Wohnhochhäuser in ihrem Besitz. Es besteht eine Art eigenen Governments innerhalb der Stadt. Eine privatwirtschaftliche städtische Enklave ist hier entstanden, in sehr kurzer Zeit. Ein Beispiel für Indien? So einfach ist es sicher nicht – denn für die große Bevölkerungsmehrheit mit niedrigen Bildungsniveaus und Einkommen sind diese Formen von Städten bisher keine Option.

Frauke Kraas