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BMBF-gefördertes Projekt: "Re-Islamisierung zwischen staatlichem Diktat und global Muslim network“ im Rahmen des Kompetenznetzwerkes Crossroads Asia

Beteiligte: Petra Tiller, Hiltrud Herbers 

Crossroads Asia ist ein vom Islam geprägter Untersuchungsraum. Dieser fungiert als soziokulturelles Identitätsmoment und wichtiges Bindeglied zwischen den hier lebenden Bevölkerungsgruppen. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts unterschieden sich jedoch die Möglichkeiten zur Ausübung und Entwicklung der Religion innerhalb Crossroads Asia aufgrund divergierender politischer Rahmenbedingungen erheblich. So unterlagen in der UdSSR alle religiösen Angelegenheiten nach 1930 der staatlichen Kontrolle. Für panislamische Ideen und Diskurse, die bis dahin im Südosten des Russischen Reiches bzw. der jungen UdSSR eine große Rolle gespielt hatten, wurde die Ampel auf ‚rot‘ gestellt – um eine zentrale Metapher unseres Kompetenznetzwerks zu nutzen.

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion erlebt der Islam in den post-sozialistischen Teilen von Crossroads Asia (Tadschikistan, Usbekistan, Kirgistan, Turkmenistan und Kasachstan) eine Renaissance – die Ampel steht nach 70 Jahren wieder auf ‚grün‘. Unterstützt wird diese Entwicklung aus dem Ausland. Insbesondere mit Iran, Saudi-Arabien und der Türkei existieren enge Migrations- und Austauschbeziehungen in Form von Finanztransfers, missionarischen Anstrengungen und Ausbildungsangeboten an den theologischen Hochschulen dieser Länder. Außerdem entstanden politische Bewegungen und Parteien mit islamischem Hintergrund wie Hizb ut-Tahrir al-Islami, Islamic Movement of Uzbekistan und Partei der Islamischen Wiedergeburt Tadschikistans, die ebenfalls in translokale Netzwerke eingebunden sind. Hierüber fand eine engere Anbindung Zentralasiens an das übrige Crossroads Asia und an das global Muslim network statt.

Die Regierungen der postsozialistischen Nachfolgestaaten standen zunächst dem Islam positiv gegenüber und nutzten religiöse Handlungen und Symbole für ihre Zwecke. Die Pilgerreise nach Mekka etwa diente auch der eigenen politischen Legitimierung. Inzwischen werden die Expansion und der Bedeutungsgewinn islamischer Ideen und Bewegungen als politische Gefahr betrachtet, so dass sie der Staat wieder unter seine Kontrolle bringen möchte. Islamische Einrichtungen, religiöse Aktivitäten und translokale Austauschbeziehungen sowie politisch-islamische Gruppierungen erleben seither zunehmende staatliche Restriktionen, mitunter auch Repressionen. Die divergierenden Interessen von Akteuren der Re-Islamisierung und des Staates führen somit vermehrt zu Spannungen und Konflikten im postsowjetischen Teil von Crossroads Asia. Die ‚Ampel‘ ist in Sachen Religion zwar nicht wieder auf ‚Rot‘, wohl aber auf ‚Gelb‘ gestellt.

Das Projekt befasst sich mit den Akteuren der Re-Islamisierung, ihrer Einbindung in translokale Netzwerke, den jeweiligen Zielen und Aktivitäten sowie ihrem Verhältnis zum Staat. Innerhalb der Geographie knüpft es an die Transformationsforschung an, die sich mit den gesellschaftlichen und sozialräumlichen Veränderungen in ehemals sozialistischen Staaten nach 1989 beschäftigt. Durch die Fokussierung auf die innerstaatliche Aushandlung von Macht und die Analyse religiöser Netzwerke leistet es zugleich einen Beitrag zur Politischen Geographie sowie zur Religionsgeographie. Als Fallbeispiele sollen vorzugsweise die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken Tadschikistan und Usbekistan dienen.