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03: Urbanes Kulturerbe in Pune: Epochen und Akteure

Muschelhornbläser © Frauke Kraas

Pune besitzt ein sehr reiches, vielschichtiges urbanes Kulturerbe, was seiner besonderen geschichtlichen Entwicklung – bei der sehr unterschiedliche politische, kulturelle und religiöse Einflüsse wirkten – und seinen vielfältigen Akteuren geschuldet ist.

Pune entstand als Siedlung in strategisch günstiger Lage an der Handelsstraße zwischen dem Dekkan-Hochland und dem Osten der indischen Halbinsel sowie dem Arabischen Meer. Davon zeugen viele, teils große Forts in Punes Umgebung. Die ältesten Tempel und Höhlen verweisen auf eine frühe Besiedlung in vorchristlicher Zeit; die Pataleshwar-Höhlen bzw. der hinduistische Panchaleshvara-Tempel werden auf das 8. Jahrhundert datiert. Den Rashtrakutas (im 9. Jahrhundert) folgte bis 1327 das Reich der Yadava, bis dieses zunächst vom Sultanat von Delhi, später durch das nordwestindische Mogulreich übernommen wurde (aber in dessen Peripherie eine gewisse Eigenständigkeit behielt). Im 17. Jahrhundert wurde Pune unter den Marathen zur Hauptstadt sowie zum militärischen Hauptquartier eines eigenständigen Staates, der permanenten Angriffen aus dem Nordosten ausgesetzt war. Ab 1707 setzten sich die Marathen jedoch durch und bauten ihre Herrschaft über das Dekkan-Hochland und weite Teile Zentralindiens aus. Nachdem 1720 Baji Rao I. zum Premierminister (Peshwa) wurde, entwickelten sich Pune und die umgebenden Regionen als von den Marathen gestaltete Hauptstadt mit starker hinduistischer Prägung.

Viktorianisches Wohnhaus © Frauke Kraas

In der britischen Kolonialzeit (1818-1947) gelangte Pune dann zuerst im Zuge der Handelsexpansion unter die Kontrolle der britischen Ostindienkompanie. Ab 1858 wurden Pune wie die gesamte Bombay Presidency – wie überall in Indien – direkt der britischen Krone unterstellt. Drei Charakteristika kennzeichnen Punes besondere Stellung im indischen Städtesystem, weshalb die Stadt für die Untersuchung vielschichten urbanen Kulturerbes besonders interessant ist: Zum einen erhielt Pune als einzige indische Stadt 1817 gleich drei sog. Cantonments, d.h. dem Militär unterstehende Gebiete, die bis heute eigenständige Verwaltungssysteme sind. Heute ist Pune Sitz des Southern Command. Zum zweiten etablierte sich Pune wegen seiner im Vergleich zu Bombay – dessen maritimes Klima belastende Schwüle und hohe Monsunregenfälle bedeutet – erheblich günstigeren Witterungsbedingungen in der Kolonialzeit zur "Monsunhauptstadt" – das heißt, während er Monsunzeit verlagerten sich Teile der britischen Bevölkerung nach Pune – oder in die ehemalige sog. Hill Station Lonavala, auf halber Strecke zwischen Bombay und Pune gelegen. Zum dritten stieg in Pune infolge der Gründung zahlreicher prominenter Bildungseinrichtungen zum „Oxford des Ostes“ auf. Dazu gehören beispielsweise das Fergusson College (als älteste Einrichtung höherer Bildung 1885 gegründet), die 1948 gegründete Pune University (heute: Savitribai Phule Pune University) – mit etwa 500.000 Studenten eine der größten Universitäten Indiens – oder die Bharati Vidyapeeth University (dem unser Partnerinstitut zugehört; diese private Universität wurde 1964 gegründet).

Pune University © Frauke Kraas
Victory Theater © Frauke Kraas

Punes urbanes Kulturerbe wird zudem durch sehr unterschiedliche Akteure geprägt: Die Marathen als dominante Kraft prägten die Stadt in hinduistischer Tradition. Davon zeugen der große Palast des Shaniwar Wada sowie zahlreiche große sog. Wadas, Herrschaftshäuser einflussreicher Adeliger. Wichtig für das mehrschichte Kulturerbe wurden darüber hinaus große und einflussreiche Minderheiten, die bis heute die multikulturelle und -religiöse Gesellschaft Punes prägen. Zu ihnen gehören jenseits der Marathen zahlreiche Moslems und Christen, weiterhin Parsen (Zoroastrer, die seit dem indischen Mittelalter aus Persien eingewandert waren und außerhalb des Kastenwesens stehen), Juden (viele Bene Israeli, die zumeist im 18./19. Jahrhundert nach Pune einwanderten und von denen viele in Diensten der britischen Verwaltung und Armee standen), Gujarati (mit großer, traditionsreicher Diaspora in Pune) und Marwadi (aus der Region von Jodhpur, Rajasthan). Viele von ihnen waren und sind im über- und großregionalen Handel, im Banken- und Finanzwesen sowie als erfolgreiche Unternehmer tätig. Die Vielfalt urbanen Kulturerbes lässt sich entsprechend nur vor dem Hintergrund der in mehrfacher Weise unterschiedlichen historischen Strömungen und diversen kulturell-religiösen Einflüsse verstehen.

Frauke Kraas