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09.03.2020: Shahjahanabad - Das nasse Labyrinth

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  • Vorfreude auf die Feiertage © Berresheim
  • Religion im urbanen Raum - Freitagsmoschee in Old Delhi © Berresheim

Unser allererster Tag führte uns an einen Ort, der rückblickend bei vielen von uns am eindrucksvollsten in Erinnerung bleiben sollte. Am Morgen des 09.03.2020 versammelten wir uns erstmals im kleinen Foyer des Hotels Florence. Voller Vorfreude blickten wir einander in die Augen - das Feldbuch fest in der Hand. Jetzt geht es endlich los!

Kurz zuvor noch im ruhigen Hotel, befanden wir uns 40 Minuten später im bunten und lauten Shahjahanabad. Im Gänsemarsch folgten wir unseren Referentinnen und beäugten nebenher das Treiben in den engen Gassen. Lauthals priesen Gemüseverkäufer ihre Ware an, der Schmied hämmerte auf das Eisen und bei jedem zweiten Schritt überholten spielende Kinder die so staunenden Deutschen. Es lag etwas in der Luft, das wir noch nicht ganz einordnen konnten. Auf den Straßen türmten sich Berge aus Holz, fest zusammengengebunden und mit Blumen geschmückt. Kuhdung[1] hing zwischen den Ästen und verriet uns, dass hier bald etwas lichterloh brennen sollte – doch wozu sollte man das ganze Holz anzünden – noch dazu offenes Feuer inmitten enger Gassen?

Dann verstanden wir: Das Holi-Festival ist der Grund! Man konnte den Gedanken noch nicht ganz verarbeiten, da traf es einen nass und aus heiterem Himmel. Unter den Kindern schien es wohl eine beliebte Tradition zu sein, sich mit Wasserbomben zu bewerfen, um so auf die kommenden Feiertage aufmerksam zu machen. Am liebsten traf man dabei verloren aussehende Reisende, um auch ihnen ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. PLATSCH – jetzt traf es schon wieder einen! Hoch oben, im zweiten Stock, auf die Hände gestützt und erwartungsfroh nach unten blickend, verfolgten uns neugierige Blicke. Das Kichern der Kinder leitete uns durch das nasse Labyrinth. PLATSCH!

 „Müssen wir hier abbiegen? Wo sind wir überhaupt? Ich glaube wir sind im Kreis gelaufen“. Frau Kraas blieb bewusst im Hintergrund und ließ uns die einmalige Erfahrung machen, uns selbst zu verlieren, nur um uns eine Stunde später wieder selbst zu finden. Das war für uns alle nicht nur lehrreich, sondern auch aufregend und sollte jedem einmal im Leben wiederfahren. Die in den Jahren 1639 bis 1656 erbaute Altstadt von Delhi (Old Delhi), zu dem auch das Rote Fort und die erhöht liegende Freitagsmoschee gehören, ist eine Gründung des Großmoguls Shah Jahan. Die Bebauung war ursprünglich strikt hierarchisiert mit eingeteilten Quartieren für Berufsgruppen und Wohneinheiten. Diese Art der islamisch-orientalischen Stadtplanung konnten wir am eigenen Leibe erfahren. Handwerker- und Händlerviertel bieten ähnliche Waren an. Eine Straße etwa war gesäumt von aneinander gereihten Läden, die allesamt Zubehör für Autos und Roller verkauften. Schrauben, Griffe, Ventile und Reifen. Jeder Laden war zwar spezialisiert, doch im Großen und Ganzen auf ein Handwerk begrenzt. Die Läden waren bis oben hin mit Produkten gefüllt. Eruptionsartig suchte sich auch die letzte Ware ihren Weg nach draußen und legte sich wie Ascheregen in jede freie und verfügbare Spalte. Ein scheinbar chaotischer Zustand und doch ein funktionierender Organismus, der nicht auf Zustimmung oder gar Verständnis von uns fremden Europäern wartete. Der Lärm der Straßen ist in den Innenhöfen kaum noch zu spüren. Die großen Tore und Innenhöfe hatten damals wie heute eine Schutz- sowie Kontrollfunktion – wer kommt rein, wer bleibt draußen? Der Bereich der Häuser neben der Straße war und ist familienzentriert und in sich geschlossen, während auf den Straßen nach wie vor das öffentliche und pulsierende Leben stattfindet. Ein Leben, das uns alle in eine andere Zeit katapultiert hat, wenngleich sich auch in Shahjahanabad die Uhren weiterdrehen. Platsch …

Johanna Berresheim


[1] Getrockneter Kuhdung wird in Indien traditionell als Brennstoff zum Heizen und Kochen genutzt.

 

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Gemüseeinkauf © Berresheim
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Blumenverkäuferinnen © Berresheim
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Kabelsalat und Gemüsestände © Berresheim
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Das Rückrad der Stadt - Chandni Chowk © Berresheim
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Blumenverkäuferinnen © Berresheim
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Fahrradrikscha in den engen Gassen © Berresheim
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Mittagspause © Berresheim
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Rikschafahrt © Berresheim