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08: Drongos, Bülbüls und zwanzig Paar Adleraugen: Die südasiatische Vogelwelt

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  • Glanzkrähen: Zutraulich... © Malte Hochum
  • ... und aufmerksam © Malte Hochum

Angesichts eines straffen Programms, das für das Geländepraktikum angekündigt worden war – und irgendwo dazwischen sollte ja auch noch Feldarbeit stattfinden! – fragte sich ein leidenschaftlicher Vogelbeobachter, ob denn da nebenher noch Gelegenheit bliebe, die persönliche Artenliste um ein paar exotische Einträge zu erweitern. Dass diese Sorge unbegründet war, zeigte sich allerdings bereits beim ersten Frühstück auf indischem Boden, als es im Geäst zwitscherte und über den Dächern schon die Milane kreisten…

Ein Paddyreiher wacht über sein Reich © Malte Hochum

Bunte Tauben und wilde Hühner: Die Artenvielfalt des Subkontinents

Für den europäischen Vogelfreund bietet der Subkontinent eine zweifellos aufregende und neue, jedoch keinesfalls völlig fremde Artenvielfalt. Schlägt man den mit Vorfreude gekauften Vogelführer auf, stößt man auf abenteuerliche Namen wie Chestnut-headed Tesia, Silver-eared Mesia, Wynaad Laughingthrush oder Pin-striped Tit Babbler. Sucht man deren deutsche Übersetzung, wird es nicht weniger mystisch: Rotkopf-Seidensänger und Silberohr-Sonnenvogel, Rostflankenhäherling und Strichelmeisentimalie. Dazwischen tummeln sich jedoch auch zahlreiche Familien und Arten, die man aus dem heimischen Garten, Wald oder Stadtpark wiedererkennt. Eurasien ist groß, aber Vögel können ja bekanntermaßen auch große Entfernungen überbrücken.

Zu den imposantesten hierzulande nicht vertretenen Taxa gehören die Nashornvögel, das Altwelt-Pendant zu den Tukanen Amerikas. Teilweise stellen sie derart abgefahrene und bunte Schnabelkonstruktionen zur Schau, dass man nicht umhin kommt zu denken, James Cameron und seine Animatorencrew hätten sich hier die eine oder andere schrille Idee für die Tierwelt von Avatar geholt. Der häufigste indische Nashornvogel ist jedoch, wie der englische Name Indian Grey Hornbill schon vermuten lässt, unscheinbar gefärbt und noch dazu äußerst heimlich und unauffällig im dichten Blätterdach unterwegs. Es ist dem scharfen Auge einer lokalen Expertin (Danke, Crystal!) zu verdanken, dass der Autor hier überhaupt einige Sichtungen verzeichnen kann.

 

Dieser hier hat was im Visier © Malte Hochum

Weniger schwer zu sehen ist ein Vertreter der großen Familie der Nektarvögel, die das erledigen, wofür in der Neuen Welt die Kolibris zuständig sind: Nektar aus abenteuerlich geformten Blüten saugen. Der häufige Purpurnektarvogel hat momentan die Balz- und Paarungszeit schon hinter sich und dementsprechend auch sein grün-violett schillerndes schwarzes Prachtkleid abgelegt – für die Winter- bzw. Trockenzeit orientiert er sich stilistisch mehr am Modell Kohlmeise. Beim Stichwort Stil dürfen auch die uns vertrauten Tauben, Kuckucke und Krähen nicht unerwähnt bleiben, denn diese Familien bringen in den Tropen Kreationen hervor, die wie für den Laufsteg gemacht scheinen. Wer sich selbst überzeugen möchte (eigene Fotos gibt es hier leider keine), der sollte Kragentaube, Prachtkuckuck und Jagdelster googeln.

Auch die für die Menschheit möglicherweise bedeutendste Vogelart, inzwischen auf allen Kontinenten und in unzähligen Zuchtformen zu finden, lässt sich in den Wäldern Ostindiens und entlang der Hänge des Himalaya in seiner prächtigen Wildform bewundern. Ein wackerer westeuropäischer Volksstamm, der bekanntermaßen der Übermacht des Imperium Romanum erbitterten Widerstand leistete, ist nach ihr benannt – die Rede ist von Gallus gallus, dem Bankivahuhn. Als die Geschichte seiner Domestizierung vor gut 8000 Jahren begann, waren Wolf, Wildschwein und Auerochse schon lange gezähmt – andere wichtige Nutztiere wie Pferd, Dromedar und Honigbiene hatte sich der Mensch jedoch noch nicht untertan gemacht.

Wer viele alte Bekannte wiedersehen möchte, der sollte Indien im Winterhalbjahr bereisen. Dann tummeln sich auf den Seen Stockenten und Haubentaucher und an den Küsten das ganze Inventar an Strandläufern und Regenpfeifern, während im Gebüsch Zilpzalp und Klappergrasmücke zwitschern. Auch Schwarz- und Weißstorch, Rauchschwalbe, Hausrotschwanz und Bachstelze gehören zu den Wintergästen auf dem Subkontinent. Allerdings kommen diese Tiere dann aus Sibirien und der Mongolei, aus China und Tadschikistan – für unsere Brutvögel führt der direkte und damit energetisch sinnvolle Weg gen Süden ja bekanntermaßen nach Afrika.

Smaragdspinte –südasiatische Bienenfresser © Malte Hochum
Rostbauchprinie – aus der zahlreichen Verwandtschaft der Grasmücken © Malte Hochum
Die vielen Schwarzmilane fein säuberlich aufgereiht... © Malte Hochum
... und am Himmel © Malte Hochum

Wer sich Verbreitungskarten einzelner Arten anschaut, kann schon eine grobe physische Karte des Subkontinents zeichnen. Der Südhang des Himalaya und die Kante der Westghats lassen sich so deutlich an den Hühnervögeln, Meisen und Spechten der Bergwälder ablesen wie der Indus samt seiner Zuflüsse, die Lebensader Pakistans, an Reihern und anderen wassergebundenen Vögeln. Die Berge, die den Subkontinent nach allen Seiten abgrenzen, stellen eine natürliche Barriere für viele Arten dar – was sich in der hohen Anzahl endemischer Arten (141) zeigt. Zum Vergleich: nur zehn Vogelarten kommen ausschließlich in Europa vor!

Von den höchsten Gipfeln der Welt über Wüsten und Savannen bis hin zu tropischen Regenwäldern ist also alles dabei – kein Wunder also, dass zwischen Belutschistan und Nagaland, zwischen Kaschmir und Sri Lanka mehr als doppelt so viele Arten nachgewiesen wurden wie in Europa. Und diese knapp 1400 Arten stellen wiederum gerade einmal etwas über 10 % des globalen gefiederten Inventars dar!

Unter Geiern: Birdwatching in Pune

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  • Manche mögen es grün... © Malte Hochum
  • ... andere sind Mondrian-Fans © Malte Hochum

Nun also konkret zu unserem Reiseziel! Allgegenwärtig und umso zahlreicher, je mehr Menschen (und menschliche Abfälle) sich an einem Ort konzentrieren, ist in Pune eine für den unbedarften europäischen Städter durchaus unerwartete Art: der Schwarzmilan. Als Kosmopolit auch in Deutschland nicht unbedingt eine Seltenheit, kommt er hier in Dichten vor, die einen denken lassen, man befände sich in Gibraltar oder am Bosporus zur Hauptzugzeit. Die Chancen, dass man beim zufälligen Aufblicken einen, zwei oder auch mal eben fünf, acht, zehn kreisende Milane erspäht, stehen sehr gut. Wenn man bedenkt, dass ein Revier von mehreren Dörfern und deren Ackerflächen in unserer pestizidgesättigten Landschaft gerade einmal ein bis zwei Bussard- oder Turmfalkenpärchen ernährt, kann man ungefähr erahnen, welche Mengen an Ratten sich in den Müllhaufen tummeln müssen, dass zehn oder zwanzig Greifvögel von einer vergleichbaren Fläche satt werden. Man sieht sie kaum, die Ratten – aus gutem Grund, denn jeder unbedachte Schritt aus der Deckung könnte der letzte sein. Als Mensch gewöhnt man sich schnell an das Leben „unter Geiern“ – als Ratte ist Pune sowohl Schlaraffenland als auch äußerst heißes Pflaster.

Wo wir bei stadtbildprägenden Kulturfolgern sind, darf auch die Glanzkrähe, im Englischen weit weniger elegant als House Crow bekannt, nicht fehlen. Unter den gut 40 Krähen und Raben der Welt ist sie eine der wenigen nicht komplett schwarzen Ausnahmen – das Graubraun an Bauch und Rücken macht sie einfach zu bestimmen und erinnert an die Nebelkrähe, die in Deutschland nördlich der Elbe vorkommt. Wer in Köln-Vingst wohnt, den können von Krähen zerfledderte Müllhaufen zwar nicht mehr schockieren – grundsätzlich reden wir in Pune jedoch, wie auch beim Schwarzmilan, von Bestandsdichten, die in deutschen Städten unerreicht bleiben.

Morgenstimmung am Mutha River – Glanzkrähen © Malte Hochum
Neugierig! © Valentin Klug

Während sich bei einem Trupp Krähen durchaus ein zweiter Blick lohnen kann, ob nicht doch einer der (tagaktiven!) Flughunde darunter ist, entpuppen sich vermeintliche kleine Singvögel bei genauerem Hinsehen gerne mal als große Schmetterlinge. Wer aus dem Augenwinkel ein zielstrebiges schwarz-weißes Flattern wahrnimmt, hat es jedoch in der Regel mit einem Vogel aus der großen Familie der Stare zu tun: dem Hirtenmaina. Mit angelegten Flügeln ähnlich der Glanzkrähe unscheinbar braun-schwarz gefärbt, verleiht ihm der knallig orangegelbe Lidstrich eine exotische Note. In Süd- und Südostasien zuhause, nahm er die Unterstützung des Menschen dankend an und ist heute zwischen Israel und Madagaskar, zwischen Taiwan und Neuseeland fest etabliert. Auch in London, Paris und Moskau kennt man ihn als Neubürger.

Im Partnerlook © Malte Hochum

Ein Stück Heimat fühlt der Kölner Reisende, wenn er für ein paar Sekunden zwei oder drei laut quietschende grüne Vögel zwischen Baumkronen, Strommasten und in den Himmel ragenden Armierungseisen (noch) unfertiger Häuser vorbeizischen sieht. Die Rede ist natürlich von den aus Südasien und Äquatorialafrika stammenden Papageien, die sich seit den 60er Jahren auch in der Domstadt heimisch fühlen. Genauer gesagt, vom Halsbandsittich und dem deutlich größeren, etwas selteneren Alexandersittich.

Freie Milane, eingesperrte Hühner © Malte Hochum

Wer (wie der Autor) den Anspruch hat, die beiden Arten auseinanderzuhalten, der sollte sich nicht damit aufhalten, abzuschätzen, ob die für drei Sekunden erspähten Vögel eher 40 oder eher 60 cm lang gewesen sein mögen. Viel einfacher ist es, kurz hinzuhören, ob sie einsilbig nach Quietscheente (Halsbandsittich) oder mehrsilbig nach rostigem Türscharnier (Alexandersittich) klingen.

Die Avifauna der Megastadt wird, wenig erstaunlich, von einigen wenigen Generalisten wie den gerade porträtierten Arten dominiert. Bewegt man sich hinaus ins Grüne, in die Hügellandschaft des Dekkan und die Höhenrücken der Westghats, beginnt dann auf einmal die eigentliche Artenvielfalt. Eindrücklich zeigte sich dies im Rahmen des Geländepraktikums beim morgendlichen Ausflug zum Fort Sinhagad, 15 km Luftlinie vom Stadtzentrum Punes entfernt. Kaum zum Vogelführer gegriffen, flatterte schon der nächste bis dato unbekannte Vogel durchs Blickfeld, darunter einige klangvolle Namen wie Grünbartvogel, Königsdrongo oder Rotsteißbülbül. Das alles vor einer traumhaften Kulisse aus saftig grünen Hügeln, nebeldurchschwadeten Tälern, überwucherten Mauern und Bananenstauden wie im Dschungelbuch. – Hat es sich also gelohnt, das Fernglas mitzuschleppen? Aber sowas von!

In dieser Pose war der Autor häufiger anzutreffen © Malte Hochum

Valentin Klug