06: Wat Phrathat Doi Kong Mu – Spiegel heterogener Grenzverflechtungen
Am Beispiel des Tempels Wat Prathat Doi Kong Mu in Mae Hong Son/Nordthailand lassen sich die sehr wechselvolle Geschichte und die heterogenen sozialen Verflechtungen im Grenzgebiet von Thailand und Myanmar gut thematisieren.
Wat Phrathat Doi Kong Mu (auf Thai: วัดพระธาตุดอยกองมู) zählt zu den alten buddhistischen Tempeln der Provinz Mae Hong Son. Er liegt malerisch auf einem Berg von etwa 1.300 m Höhe, von dem aus man über die ganze Stadt und die sie einfassenden Gebirgszüge blicken kann. Kong Mu bedeutet in der Shan-Sprache einfach „Stupa“.
Ursprünglich waren Stupas – das Wort stammt aus dem Pali und Sanskrit – buddhistische Grabhügel, in denen später Reliquien des Buddha oder einflussreichen Mönchen aufbewahrt wurden. Symbolisch steht der Stupa im Grundriss für die Weltenachse, das Rad der Lehre oder ein Mandala, in seiner baulichen Gesamtheit für den Berg Meru als Symbol für den gesamten Kosmos. Ein guter Buddhist erwirbt mit dem Bau eines Stupa Verdienste für ein positives Karma, welches ihm für zukünftige Wiedergeburten Gutes bringt. Auch das Umschreiten eines Stupa (im Uhrzeigersinn) erbringt positive Verdienste und gehört zu den Standardritualen beim Besuch einer Tempelanlage.
Die beiden großen weißen Stupas des Wat Phrathat Doi Kong Mu, 1860 und 1872 errichtet, sind architektonisch im Stil der Tai Yai erbaut, in den sich starke Stilelemente mischen, wie sie auf der Seite des heutigen Myanmar verwendet werden. Auch die Reliquien in ihnen stammen aus dem heutigen Myanmar, aus der langjährigen Hauptstadt Mandalay und aus dem überregionalen Handelszentrum Mawlamyine. So sind die Stupas sichtbarer Ausdruck des faktisch historisch gewachsenen, großen kulturellen Übergangsraums, der die beiden heutigen Nationalstaaten lange und eng miteinander verbindet. Und sie sind Spiegel heterogener Grenzverflechtungen …
Frauke Kraas