17: Urban Wildlife – Thailands Acht-, Sechs-, Vier-, Drei-, Zwei- und KEINBEINER!
Thailands Bevölkerung von 71,6 Millionen Menschen wird zu einem nicht unerheblichen Teil von den diversen Acht-, Sechs-, Vier-, Drei-, Zwei- und Keinbeinern ergänzt, welche einem je nach Art sowohl ein Staunen, Freude, Ekel als auch diverse Kraftausdrücke entlocken können, die dem Londoner East End alle Ehre machen würden (Stichwort: Moskito-Massaker!).
Neben den Straßenhunden und Straßenkatzen auf und um die Tempelanlagen herum gibt es Singvögelarten an der Don Muang Railway Station, die aufgrund der Architektur der Bahnstation mit ihren „Gesängen“ einem einen Hörsturz mittlerer Güte garantieren. Das Gleiche gilt für die unsichtbaren Zikaden am Namtok Sai Yok Noi Wasserfall in der Kanchanaburi-Provinz, die eine derartig omnipräsente Lautstärke verursacht haben, dass man diese nur mit Ohrstöpseln ertragen konnte.
Neben den Kamikaze-Tauben im De Lanna Hotel in Chiang Mai, die durch das Hindurchfliegen zwischen Personen mit Millimeterabstand und dem resultierenden Luftzug einen zu Boden werfen und einen sehr deutlich spüren lassen, dass man selbst nicht die Lufthoheit hat, gab es allerdings auch eindrückliche Begegnungen am Boden im Muang Pon Eco Village mittels Straßenhunden bei Nacht, die gar nicht von der Idee eines Nachtspaziergangs in ihrem Viertel begeistert waren und fast der Grund waren, dass jemand seine Tollwutimpfung in Anspruch nehmen durfte.
Doch nicht nur vor der eigenen Hotelzimmertür konnte man Tiere erleben. Neben vereinzelten Kakerlaken (gehören in Südostasien einfach dazu) waren immer wieder Geckos Bestandteil der Zimmereinrichtung. Diese waren im Gegensatz zu den Kakerlaken allerdings gerne gesehen, da sie die unerwünschten Insekten fangen (für jedes Beutetier gibt es den passenden Prädator im Programm).
Auf der Zugfahrt von Phitsanulok nach Ayutthaya fuhren wir dann durch Lop Buri, unmittelbar am Affentempel Prang Sam Yot vorbei, und konnten einen kurzen Blick auf die Schar an Langschwanzmakaken werfen, die den Tempel und die umliegenden Straßen prägen. Nachdem die Exkursion beendet war, konnte ich allerdings die Stadt erneut besuchen, mir einen detaillierteren Einblick verschaffen, Notizen machen und noch einmal vernünftige Fotos und Videos aufzeichnen. Dabei waren die Touristen und Einheimischen nicht zu übersehen, die die Makaken mit allem möglichen füttern. Dazu gehören unter anderem Trinkpäckchen, Zuckerrohr und Bananen, während all das, was nicht niet- und nagelfest ist und sich die kleineren Zweibeiner unter ihre Nägel reißen können, noch hinzukommt.
Daumen sind hierbei überaus hilfreich, wie sonst sollten sie den Strohhalm in die Trinkpäckchen befördern? Doch auch um Shopbetreiber um die ein oder andere Ware (Dosenlack) zu erleichtern sind sie sehr nützlich. Alles in allem haben die Affen wohl keine Diät, die explizit von der WHO empfohlen wird. Ergebnis der Ernährungs- und Verhaltensweise der Affen ist ein Fassadendesign um den Tempelplatz, das von den Architekten von Fort Knox erstellt worden ist. Andernfalls bekäme man beim Frühstück wohl auch eine Gesellschaft, die überaus nachlässige Tischmanieren aufweist und auf dem Esstisch sitzt. Gut, unterscheidet sich jetzt auch nicht von manchem Familienessen, nur verschwinden die Makaken wenigstens, wenn man drohend den Stock hebt, und laufen nicht feige Hilfe suchen (einfach unsportliches Verhalten).
In Ayutthaya trafen wir dann auf Elefanten (leider keine freilaufenden Exemplare ☹), die die oben montierten Dickhäuter durch die Mittagshitze spazierten.
In der Hauptstadt konnten wir während einer Khlong-Bootsfahrt bereits einen Vorgeschmack auf die Tiere des wichtigsten Parks Bangkoks gewinnen und 22 teilweise sehr große Exemplare der Bindenwarane vorfinden, die sich am Ufer wärmten.
Lumpini-Park: der absolute Waransinn!
Spätestens im Lumpini-Park wurden die Erwartungen bezüglich urban wildlife bei weitem übertroffen. Die Bindenwarane (nach eigener unvollständiger Zählung mehr als 130 Exemplare – Schätzungen gehen je nach Jahreszeit von bis zu 400 Tieren aus) gehören fest zum Inventar des Parks und sind mitunter auch aufgrund ihrer Tourismusfunktion gar nicht mehr wegzudenken aus dem „Central“-Park Bangkoks. Die größten Exemplare (mehr als 2 Meter Länge!) haben mitunter ein überaus ausgeprägtes Selbstvertrauen und wittern jede Chance für eine Zwischenmahlzeit (kommen einem aus diesem Grund auch vermutlich immer einen Schritt näher, wenn man ihnen den Rücken zuwendet) und wissen sehr genau, dass die Passanten mehr Angst vor ihnen haben als sie vor den Passanten. Kinder und (nicht erlaubte) Hunde deshalb immer besser in Griffweite aufbewahren! Anders ausgedrückt: Die Straßenkatzen bilden im Lumpini-Park derzeit auf jeden Fall nicht das Ende der Nahrungskette.
Der Lumpini-Park soll auch in einer anstehenden Umgestaltung mit dem naheliegenden Benjakitti-Park per Grünstreifen verbunden werden, wodurch die lokale Fauna zwischen den beiden Habitaten wechseln kann (die derzeitige Form des Austauschs per U-Bahn-Netz wird nicht gern gesehen). Dies wäre auch bitter nötig, da während einer Stippvisite des Benjakitti-Parks nicht ein einziger Bindenwaran gesichtet werden konnte. Ob man eine Grünfläche in Kombination mit Wasserelementen in Bangkok ohne Warane überhaupt Park nennen kann? Meiner Meinung nach definitiv nicht!
Nach offiziellem Exkursionsende gab es für mich allerdings im eigenen Auftrag noch allerlei zu tun, sodass noch die ein oder andere Tierart in der Stadt gespottet worden konnte. Nach einem Besuch auf der Schlangenfarm (mit Live-Vorführung der Gift-Extraktion an einer Kobra) ging es am Abend direkt zum Schlangen-Fangen mit den unglaublich hilfsbereiten und sympathischen Feuerwehrleuten der Bang Khen-Fire-Station. Auch wenn an diesem Abend (auch aufgrund der Trockenzeit) nicht die gefährlichsten Keinbeiner der Stadt sichergestellt werden konnten, konnten wir eine kleine Rattenschlange aus einem Haus retten. Danach durfte ich einen Blick in das Inventar der Bang Khen-Fire-Station und die darin befindlichen Exemplare werfen, die sich aufgrund des wichtigen Services der Feuerwehrmänner nicht mehr auf (dem nicht existenten) freiem Fuß befinden.
Niklas Elverich