08.03.2020: Vorexkursion in Delhi auf eigene Faust
Am Tag vor der Exkursion erkundeten Cathrin, Laura, Lioba und ich Delhi bereits auf eigene Faust. Unser erster Standort war das Red Fort, eines der klassischen ersten Anlaufpunkte für heimische und internationale Touristen. Die Festungsanlage wurde für den Moghulherrscher Shah Jahan gebaut und liegt in Shahjahanabad, der Altstadt von Delhi. An dem Sonntag war der Weltfrauentag und wir durften ohne Eintritt zu bezahlen die Anlage besuchen. Die Anlage, in der sich verschiedene Bauten mit verschiedenen Funktionen befinden, war von Gebäude zu Gebäude unterschiedlich gut erhalten. Zum Teil waren Dekorationselemente in sehr gutem Zustand und zum Teil gar nicht mehr sichtbar. Helle Säulen sind verziert mit farbigen Blumen- und Pflanzenmustern, genauso wie die Decken und zahlreiche Bögen im Inneren der privaten Audienzhalle.
Von dort aus liefen wir zur Jama Masjid, der größte Moschee in Delhi. Wir wählten eine Route entlang kleiner Straßen, um einen besseren Eindruck des Stadtgebietes zu bekommen. Vieles befindet sich dort gerade im Wandel. Beim genauen Hinsehen entdeckt man Gebäude, die gerade abgerissen, neu gebaut oder saniert werden. Entlang einer Fußgängerzone fanden Bauarbeiten statt. Eine Baustelle haben wir auf unserem Weg überquert. Sie war weder gesichert, noch eingezäunt. Dadurch konnten wir, wie auch die anderen Passanten, unseren Weg ohne große Umwege fortsetzen. Je näher wir an die Moschee kamen, desto mehr fand Handel statt und desto kleiner wurden die Handelsflächen. Zunächst waren es Geschäfte in zwei bis dreistöckigen Häusern, dann ging es in einen Markt mit Ständen über. Auch die Moschee wurde im Auftrag Shah Jahans gebaut. In der zweiten Hälfte der 1650er wurde sie fertiggestellt und gehört zu den größten Moscheen weltweit. Wie wir auch später an einigen anderen religiösen Bauten festgestellt haben, ist die Moschee höher gelegen als andere Gebäude. Dies unterstreicht ebenso wie eine rote und in einigen Fällen eine gelbe Farbe die Bedeutsamkeit und Heiligkeit des Ortes.
Nachmittags fuhren wir in die Lodi-Gärten, einer Parkanlage im Süden Delhis. Je weiter wir in den Süden fuhren, desto stärker unterschied sich das Bild zu Shahjahanabad. Die Straßen wurden breiter. Es kamen breitere Bürgersteige dazu und es wurde sauberer. Die Fahrzeuge waren größer und die Häuser veränderten sich. Die Häuser und bald schon Villen waren freistehend, eingezäunt und tiefgeschossig. Sie wurden immer prächtiger und luxuriöser. Die Fahrt dauerte eine halbe Stunde und nach weniger als acht Kilometern Fahrt waren wir wie in einer anderen Welt. Dass die Disparitäten in Indien, besonders in den Großstädten sehr hoch sind, wusste ich bereits. Dies aber selber auf einer Fahrt anhand des Stadtbildes sehen zu können, vermittelt einen noch intensiveren Eindruck davon. Wie ich in den folgenden Tagen in Delhi von Annika und Romina gelernt habe, haben die einzelnen Stadtdistrikte eigene Verwaltungen. Diese können in vielen Bereichen autonom entscheiden und haben somit unterschiedliche Herausforderungen, mit denen sie umgehen müssen. Deshalb sehen viele Dinge, von denen man annehmen würde, dass sie einheitlich aussehen müssten, unterschiedlich aus. Bürgersteige sehen - sofern sie vorhanden sind - überall unterschiedlich aus. Hinweisschilder, die auf eine Behörde hinweisen, sind nie gleich. Natürlich ist die Bevölkerungsdichte auch sehr unterschiedlich, was zu verschieden starker Abnutzung der Infrastruktur und der Gebäudeführt, in einigen Stadtteilen zwangsläufig zu mehr Müll führt und auch viele nicht direkt sichtbare Auswirkungen hat.
Die Lodi-Gärten beherbergen Mausoleen und andere Gebäude aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Es ist eine grüne Parkanlage mit vielen verschiedenen Gärten, wie dem Rosen- und dem Kräutergarten. Es gibt Informationstafeln zu den Vögeln und Pflanzen, die man dort sehen kann. Der Park war gut besucht von Familien, Jugendlichen und kleineren Gruppen. Es wurde gepicknickt, gespielt und Fotoshooting durchgeführt. Letzteres sowohl professionell mit Kameras als auch mit Smartphones. Kinder und Jugendliche nahmen Videos für weltweit beliebte soziale Netzwerke auf. Sie führten Choreographien auf, die genauso professionell wirkten wie in Musikvideos. In der Nähe einer Gruppe von Jugendlichen legten wir eine Pause ein und beobachteten die tanzende Gruppe, wie alle anderen Gäste der Gärten auch. An der Kleidung der meisten Parkgäste konnte man sehr leicht erkennen, dass sie der gehobenen Mittelschicht und Oberschicht angehörten. Es wurde viel mehr Englisch gesprochen und es waren auch einige europäisch aussehende Personen unterwegs. Aus meiner Beobachtung heraus würde ich schließen, dass es sich um Mitglieder der in Indien lebenden und arbeitenden Europäer handelte und nicht Touristen.
Diese gegensätzlichen Eindrücke, die wir innerhalb nur weniger Stunden gesammelt haben, kann man in Delhi auch auf andere Bereiche übertragen: Gesellschaft, Bausubstanz, Gebäudearten und vieles mehr.
Ezgi Erdogan