13.03.2020: Toy Train-Fahrt von Shimla nach Kandaghat
Da waren wir nun. Noch von der Spontanhochzeit am Abend zuvor etwas ausgelaugt, ging es in alter Manier früh morgens wieder aus dem Bett. Mit gepackten Sachen begaben wir uns zum Frühstück und waren bereit, die nächste Etappe in Angriff zu nehmen. So aufregend, wie wir uns die kommende Fahrt mit dem Toy Train vorgestellt hatten, so schwierig war es dann doch dort hinzukommen. Einer unserer Fahrer war nicht mehr da und somit hatten wir auch ein Auto zu wenig, das uns zum Bahnhof bringen konnte. Wollte Frau Kraas zunächst noch mit einer Kommilitonin auf den nächsten Wagen warten, so war die Zeit doch gegen uns. Kurzerhand wurden alle Sachen noch etwas gequetscht und die Autos im Tetrisverfahren mit mehr Personen beladen als erlaubt. Gut, dass die Polizei an diesem Tag eher damit beschäftigt war, den Verkehr zu regeln, denn die Staus zogen sich auf unserem gesamten Weg vom Hotel zum Bahnhof. Dachten wir zuerst noch, dass wir zeitig losgekommen wären, so belehrte uns der Verkehrsfluss eines Besseren. Schon zweifelnd, ob wir es überhaupt noch schaffen würden, stiegen wir schon etwas früher aus den Autos aus und hechteten zum Zug. Selbstverständlich setzten wir uns dann noch in das falsche Abteil, denn Lesen muss ja auch gelernt sein. Aber auch dieses Hindernis haben wir überwunden und so nahmen wir unsere Fahrt mit dem Toy Train von Shimla nach Kandaghat auf.
Für diejenigen, die sich jetzt fragen, was denn bitte der Toy Train ist, kann ich sagen, dass es nicht unbedingt etwas mit einem Spielzeug zu tun hat, auch wenn die Proportionen etwas kleiner ausfallen als üblich. Der Toy Train ist ein Schmalspurzug, welcher die 96 km lange Strecke von Shimla nach Kalka bedient. Er hat seinen Ursprung in der Kolonialzeit, als es den Briten zuwider war, die heißen Tage in Delhi und Kalkutta zu verbringen. Shimla wurde deshalb 1864 zur Sommerhauptstadt der britisch-indischen Regierung, denn die Temperaturen im ca. 2100 m hohen Shimla waren für die Briten deutlich erträglicher. Allerdings wurde die Bahnstrecke erst Ende des 19. Jahrhunderts in Auftrag gegeben, um den Transport zwischen Kalkutta und Shimla und später, mit der Verlegung der Hauptstadt von Kalkutta nach Delhi, von Delhi nach Shimla zu vereinfachen und zu beschleunigen. 1903 wurde die Strecke dann auch offiziell eröffnet. Auch heute ist diese Route noch eine gern befahrene und bei Touristen sehr beliebt, denn auf ihr bieten sich eindrucksvolle und einzigartige Aussichten in die Täler und auf die umliegenden Berge des Vorhimalaya.
Auch wenn wir nicht die ganze Strecke mitgefahren sind, so bot sich uns doch ein Anblick, den man höchstwahrscheinlich nicht so schnell vergessen wird. Die beeindruckenden Berge und Wälder, die Weite und die Natur in so vielen Facetten lassen einen dann doch staunen. Auch wenn Kameras so etwas nur begrenzt einfangen können, so will ich euch den einen oder anderen Eindruck nicht vorenthalten.
Einen kleinen Wermutstropfen gab es für mich persönlich dann leider doch. So hoch in den Bergen und weit entfernt von Städten war ich davon ausgegangen, dass die Vermüllung, die ich in Delhi und im Umland gesehen habe, hier nicht so schnell Einzug erhalten würde. Doch als ich schon zum ersten Mal aus dem Fenster sah, holte mich schnell die Realität ein. Vermutlich gab es kaum einen Quadratmeter entlang der Strecke, an dem sich nicht irgendeine Art von Müll befand. Natürlich nicht in dem Ausmaß, wie es in Delhi und Umland war, aber dennoch fühlte ich eine gewisse Enttäuschung. Zumal wir auch Zeuge davon wurden, wie ein indisches Pärchen, nachdem sie ihre Tüte Chips aufgegessen hatten, diese aus dem Fenster schmiss, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Vielleicht bin ich, was das angeht, durch die Art der Müllentsorgung und -trennung in Deutschland etwas verwöhnt und auch privilegierter aufgewachsen, aber wenn ich sehe, wie die Natur hier teilweise mit Füßen getreten wird, sträuben sich mir dann doch die Nackenhaare. Wie gesagt, ein kleiner Wermutstropfen.
Das soll aber dem Erlebnis dieser Fahrt überhaupt keinen Abbruch tun, denn wann hat man im Alltag schon mal die Möglichkeit, solch einen Ausblick zu genießen und einfach mal die Seele baumeln zu lassen. Leider hieß es nach ca. 37 km in Kandaghat für uns „Alles aussteigen“, denn die restliche Etappe nach Chandigarh fuhren wir dann wieder mit den Autos. Zwar mit etwas komfortableren Sitzmöglichkeiten, aber kein Vergleich zu dem Ausblick, der sich uns vorher bot.
Jonathan Lange
Die Toy Train-Fahrt
Bevor ich Euch von unserer atemberaubenden Zugfahrt von Shimla nach Kandaghat erzähle, muss ich die morgendliche Vorgeschichte kurz schildern, da ich mir die leider nicht verkneifen kann. Als wäre unsere bisherige Reise nicht turbulent genug gewesen, erreichten wir an einem schönen sonnigen Morgen in Shimla diesbezüglich einen neuen Höhepunkt: Mit genügend Zeiteinplanung und erholsamem Schlaf haben wir morgens gefrühstückt und nachher noch einmal kurz unsere Kartierungen vom Vortag rekapituliert und ausdiskutiert. Anschließend sollten wir uns dann mit fünf Autos auf den Weg zum Bahnhof machen. Doch bereits in der Hotelgarage wurde die Angelegenheit ernster. Gefühlte zehn Mal sind Leute von einem Auto ins andere Auto umgestiegen, Gepäck wurde immer wieder umgelagert und das fünfte Auto fehlte immer noch. Ohne das konnten wir jedoch nicht aufbrechen, da es sonst nicht genügend Plätze für alle gegeben hätte. Mit bereits 10 Minuten Verspätung sind wir dann – in 15 Personen in vier Auto (zuzüglich Fahrer) und großen Reiserucksäcken – zum Bahnhof gestartet.
Der Bahnhof liegt etwa 2km Luftlinie entfernt, doch wegen des hügeligen Terrains und den vielen nicht befahrbaren Fußgängerstraßen braucht man normalerweise ungefähr 30 Minuten. Unglücklicherweise gerieten wir in den frühmorgendlichen Verkehr, sodass sich die Fahrt noch weiter in die Länge zog. Als dann nur noch 15 Minuten übrig waren bis zur Abfahrt und wir immer noch im Stau standen, kippte die Stimmung. Eigentlich wollten wir auf gar keinen Fall mit den Autos wieder zurück fahren nach Chandigarh (denn die Strecke ist ebenso steil wie sehr kurvig, und wir hatten sie ja schon auf der Hinfahrt per Auto „genossen“). Jeder von uns war richtig gespannt auf die Zugfahrt durch das Himalayagebirge. Glücklicherweise waren es dann schließlich nur noch 200m bis zum Bahnhof und noch genau acht Minuten übrig. Also: Gepäck schnappen und losrennen …. Unverzüglich stiegen wir dann in unser Abteil ein, wo uns dann auffiel, dass unsere Sitzplätze schon besetzt waren. Natürlich haben wir diese Personen sofort freundlich gebeten aufzustehen, da dies unsere Plätze seien. Peinlicherweise fiel uns dann auf, dass wir in aller Eile ins falsche Abteil gestiegen waren. Peinlich berührt sind wir sofort wieder aus- und schnell in unser – richtiges – Abteil eingestiegen. Kurz danach fuhr der Zug auch schon los.
Der Zug, auch „Toy Train“ genannt, fährt eine eingleisige Strecke von Shimla bis nach Chandigarh. Wir hatten uns entschieden, nur bis nach Kandaghat mitzufahren, da der Zug nicht besonders schnell fährt und die Fahrt bis nach Chandigarh unglaublich lang dauern würde. Schließlich wollten wir spätnachmittags noch etwas von Chandigarh sehen. Die Waggons hatten zwei Türen, vorne und hinten, welche auch während der Fahrt immer geöffnet blieben. Auch die Fenster blieben geöffnet. So war es kalt und zugig, aber herrlich luftig.
Anfangs fuhr der Zug durch ein kleines Waldstück. Später boten sich uns dann faszinierende weite Aussichten über die Täler und Gebirgszüge des Himachal Pradesh: ein mittelhohes Gebirge auf 2000 bis 2500 m ü. NN. Unterwegs konnte man die bewirtschaftete Ackerterrassen entdecken, eng und schmal, fast wie aufeinandergeschichtet. Dort werden unterschiedliche Feldfrüchte angebaut wie etwa Hülsenfrüchte und Leguminosen. Teilweise wird auch Reis angebaut. Außerdem konnte man die Pfade von Haus- und Wildtieren in den Hängen sehen, sogenannte Viehgangeln.
Entlang der Schienen begegneten wir auch Menschen, die einfach im Wald oder auf den Wiesen standen. Wahrscheinlich haben sie auf einen Zug gewartet, um bei Gelegenheit aufzuspringen. An verschiedenen kleinen Bahnhöfen hielten wir an. In Shoghi mussten wir für eine halbe Stunde warten, da wir auf den Gegenzug warten mussten. Hier stiegen einige von uns aus, um Fotos zu machen, aber wir blieben sicherheitshalber in der Nähe des Zugs – man weiß ja nie! Nach drei Stunden Fahrt kamen wir in Kandaghat an, wo unsere Fahrer schon auf uns warteten.
Es war eine meiner schönsten Zugerlebnisse, die ich bisher hatte. Es herrschte eine unglaublich entspannte Atmosphäre und man konnte die Natur richtig auf sich einwirken lassen. Außerdem war es eine erholsame Abwechslung zum indischen Großstadttrubel.
Cathrin Wolff