skip to content

Wandern für Anfänger

Um 6 Uhr war es dann endlich hell genug, um aufzubrechen. Im Hinterhof des kleinen Hotels trafen wir unseren Hiking-Guide Sunny, einen recht indisch aussehenden, sehr netten jungen Mann. Es stellte sich später heraus, dass sein Großvater ein nepalesischer

 Gurkha gewesen war, was natürlich Einiges erklärte. Er stellt uns die beachtliche Strecke von fast 60km vor, die wir in den nächsten Tagen wandern würden, was bei einigen der Myanmaren Panik verursachte, Mir verursachte vor allem mein schwerer Rucksack Panik. Ich war schon oft in den Bergen wandern gegangen, aber mit 25l-Rucksack … und jetzt 70l und … die meisten Myanmaren hatten interessanterweise nur kleine Rucksäcke plus 3 oder 4 Plastiktüten. Klar, wer nie wandern geht, holt sich für solch eine einmalige Aktion keine neue Ausrüstung … Ich jedenfalls war unsagbar dankbar, als ein Myanmare mit mir den Rucksack tauschte, nachdem klar war, dass wir sonst doppelt so lange brauchen würden. So zogen wir durch Felder und Wälder, Täler und über Hügel … und langsam zeichnete sich ab, dass ich doch nicht das Schlusslicht bilden würde, da diese Position eine sonst immer autofahrende, zuckersüße Myanmarin innehaben würde, der alles Gewicht bis auf eine Wasserflasche abgenommen wurde.

Irgendwann kamen wir dann an einem zauberhaften Bergkloster an, wo wir ein üppiges Mahl serviert bekamen, und uns fast alle eine Runde hinlegten.

Für mich kam dann zunächst die Rettung: Mein großer Rucksack würde zum Dorf transportiert werden, wo wir schlafen würden. Ich freute mich tierisch, musste aber auch schleunigst Ersatz finden, denn ich brauchte ja Verpflegung, Regenschutz etc. … und so zog ich eine normale Tragetasche als Rucksack an. Eigentlich ganz bequem, wenn die Riemen nicht so dünn gewesen wären. Und wie es das Schicksal so wollte – es war bis jetzt alles zu glatt gelaufen – fiel mir bald darauf meine ultraleichte Mini-Multifunktionsmatte aus der Tasche. Einer der Guides bot an, nach der „mat“ zu suchen. Schließlich stellte sich heraus, dass er nach einer „map“ Ausschau gehalten hatte (Myanmaren und englische Endkonsonanten führen erbitterten Krieg gegeneinander!), aber er fand sie zumindest, da ihm der Irrtum beim Anblick klar wurde.

Ich hatte derweil ganz andere Sorgen. Da ich ja ohnehin zu den langsamen Wanderern zähle, ging ich mit dem Doktor schon mal vor, während unsere Autofahrerin mit noch ein paar anderen im wunderbaren Schatten wartete, bis der Guide die mat/p auftrieb. Tja … und so gingen wir weiter die Straße entlang, immer weiter bergab … aber irgendwie kam keiner hinterher … und irgendwie waren auch keine Fußspuren auf der roten Erde … und oben auf dem Hügel entdeckten wir die französische Wandergruppe, die hinter uns gewesen war: So ein Mist! Den ganzen Weg wieder zurück! Natürlich wussten wir nicht, welchen der zugewachsenen Trampelpfade unsere Gruppe genommen hatte. Wanderkultur: Note 4-. Die ersten laufen vor, und an Weggabelungen hält keiner an um sicherzustellen, dass der Andere folgt. Kurz nach den potentiellen Weggabelungen kamen wir wieder zum schattigen Platz zurück, wo wir die anderen zum letzten Mal gesehen hatten.

Dort erwartete uns dann die Rettung: Die beiden netten Franzosen aus dem Kloster mit ihrem Guide, der mich in den nächsten Minuten zum Wahnsinn trieb. Wir hatten schon eine halbe Stunde verloren und würden noch eine halbe verlieren, aber ich sollte mich gefälligst beruhigen, hinsetzen und ein Rätsel lösen: Er legte drei Stöckchen und ein Blatt in einer bestimmten Anordnung auf den Boden und erklärte mir, was das Resultat sein sollte … Gut, dass ich das Rätsel schnell löste, auch wenn ich es zweimal auf verschiedene Weise machen musste, bis er sich endlich erbarmte aufzubrechen. Irgendwann ging er uns aber doch zu langsam und so preschten wir los. Es gab ja wieder nur einen Weg. Bald fand uns dann Sunny und erzählte, wie sich der andere Guide gewundert hatte: Die Matte ist wieder da, aber wo steckt die Besitzerin?!

Jedenfalls waren wir dann bald wieder bei der Gruppe und konnten uns ein wenig entspannen, während wir die Landschaft um uns herum aus geographischer Sicht analysierten und diskutierten. Bald ging es weiter durch Reisfelder und Chili-Pflanzungen, vorbei aus wunderschönen Kühen mit Buckel … und süßen Kälbern … und Mordslust unter den Augen der großen Hörner … und noch mehr Felder mit Ingwer und Erdnüssen. Es geht übrigens nichts über eben aus der Erde gezogene Erdnüsse. Dieser frische Geschmack ist mit getrockneten Erdnüssen nicht zu vergleichen und wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben. Natürlich begegneten wir unterwegs auch Bauern auf ihren Feldern, die aus langjähriger Erfahrung wissen, dass man sich mit geradem Rücken aus der Hüfte heraus herunterbeugt. Sehr sinnvoll. Außerdem trafen wir auch bald die ersten richtigen Pa-O: einen traditionellen Stamm, ganz in schwarz gekleidet, bis auf ihre knallorange oder rot karierten, um den Kopf gewickelten Schals. Wie sie damit wohl die Hitze aushalten? Irgendwann, als unsere Füße schon längst vor Schmerzen pochten, kamen wir im Danu-Dorf an, in dem wir übernachten würden. Diese ethnische Gruppe wirkte nicht so traditionell einheitlich angezogen wie die Pa-O, aber wir hatten mit ihnen ohnehin wenig Kontakt. Daher erklärte uns auch Sunny die Sache mit der Dusche: Unter freiem Himmel zwischen den Kürbispflanzen … was waren wir froh, dass uns die Mädels ihre Longyis liehen! Schlafen durften wir dann auf bunt bezogenen Matten, die sich perfekt für Thai-Massage eigneten. Und so gab ich eine kurze Massagestunde, die teilweise in Klamauk ausartete. Aber Hauptsache alle hatten Spaß!

Monika Langer