Geschafft! Auswertung der Ergebnisse – und Farewell …
Wenigstens einmal schaffen wir es heute um kurz nach 6 Uhr morgens – am Deutschen Nationalfeiertag – zum Sportplatz, auch wenn „wir“ nur zwei von 21 TeilnehmerInnen sind. Dafür teilen wir uns das Stadium mit sieben Hunden und mutmaßlich hunderten Mücken, zahllosen Krähen, und einem prächtig blauen, eisvogelartigen Geschöpf. Der Campus der Universität ist umgeben von Sportanlagen – Gelegenheit zum Schwimmen, Rudern, Fußball-, Tennis-, Basketball- und Badmintonspielen gibt es reichlich. Und überall ist es voll um die Uhrzeit, man nutzt die noch verhältnismäßig „kühleren“ Morgenstunden.
Wenig später versammelt die unsere Gruppe wieder im CoE und setzt die Auswertungsarbeiten fort: Die Kartierungen, Dokumentationen, Interviewergebnisse und Bildeindrücke werden zu Bewertungen zusammengeführt, eine SWOT-Analyse (sprich: eine Einschätzung der Stärken, Schwächen, Potentialen und Gefahren) der zukünftigen Entwicklung des Tourismus wird umgesetzt. Unverändert ist die Gruppe engagiert „dabei“, und dass obwohl sich bei einigen durchaus gewisse Schlafdefizite bemerkbar zu machen scheinen.
Kann und soll man der Region des Inle-Sees viel mehr Tourismus, zumal internationalen, wünschen? Wie kann man es schaffen, nachhaltigen Tourismus zu etablieren, so wie es der neue Tourism Master Plan (lesenswert, sinnvoll konzipiert) vorsieht? Natürlich schafft Tourismus Beschäftigung, Arbeitsplätze, Einkommen, Entwicklungschancen. Wenn es richtig gemacht wird, dann können gerade periphere Regionen, die weit von den Wirtschaftszentren entfernt liegen, von ihn profitieren. Aber wie kann es gelingen, dass Tourismus nicht die Werte, dessentwegen es ihn gibt, zerstört? Noch mehr Ausländer etwa beim Pagodenfestival (es war für mein Empfinden bereits jetzt mehr als grenzwertig – denn das Fest galt zweifelsfrei nicht dem Tourismus)? Noch mehr schulterfreie Tops und angetrunkene Partygänger, noch mehr Plastikmüll in den Kanälen, noch mehr Waschmittel in den See? Schon vor zehn Jahren wiesen einschlägige Untersuchungen auf die bereits erreichte ökologische Kapazitätsgrenze des Sees hin. Nun wird im Südosten des Inle-Sees eine riesige neue Hotelzone errichtet – man sieht die gewaltigen Erdarbeiten von weitem. Mehr als 10 große Hotels sollen bis zur nächsten Saison (also bis in einem Jahr) neu entstehen – das bedeutet, wie wir in den eigenen Erhebungen feststellen konnten, fast eine Verdoppelung der bisherigen Bettenkapazitäten. Eine Verdoppelung der Schnellboote auf dem See? Schon jetzt reihen sie sich pausenlos aneinander, rasen an den traditionellen Fischern vorbei, von denen es – ja, immer noch – hunderte gibt, die nach Sonnenauf- und vor Sonnenuntergang an den Ufern ihre Netze auswerfen.
Und Taunggyi – von welchem Tourismus sprechen wir? Die internationale Perspektive lässt einen automatisch an ausländische Touristen denken – aber „Westler“ verlaufen sich selten dorthin, obwohl Taunggyi nur etwa 25 km entfernt vom Inle-See liegt. Wir konnten erkunden, dass sich vor allem asiatische Touristen (? – es sind vielmehr Geschäftsleute, Handelsreisende, Vertreter), präziser: vor allem Chinesen in Taunggyi einfinden. Die meisten der hier, zumeist sehr einfachen Hotels leben ausschließlich von ihnen – und so wechselten mehrere in jüngster Zeit auch ihre Namen, damit sie speziell chinesische Kunden ansprechen. Auch Myanmaren kommen viel nach Taunggyi, nicht nur zum berühmten Balloon Festival im November. Der einheimische Tourismus wird oft in den Statistiken und in der Wahrnehmung vergessen – dabei stellt er inzwischen einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Man besucht Verwandte, geht zu Pagoden – aber auch zu den Sitzungen der Verwaltung. Taunggyi als Hauptstadt des Shan State ist natürlich das Zentrum aller Besprechungen – und so haben sich manche Hotels auf sie spezialisiert. Mit diesem „domestic tourism“ beschäftigt sich gerade eine Abschlussarbeit in meinem Team – auf die Ergebnisse kann man gespannt sein. Sie werden die Wahrnehmung vom Tourismus in Myanmar verändern – es kommt eben oft auf die Perspektive an!
Diese und manch andere Reflektion hat den heutigen Abschlusstag unseres Feldpraktikums bestimmt. Eines ist klar geworden: Es ist gelungen, viele neue Einsichten selbst zu gewinnen, viele darunter, die auch unseren Myanmaren völlig neu waren. Mehr wird man dann im Abschlussbericht lesen können. J
Mit Wehmut verabschieden wir uns von unseren myanmarischen Freunden und Kollegen – die intensiven 14 Tage haben eine enge Gruppengemeinschaft geschaffen, und es wird, selbst wenn Internet, Skype und Messenger hier keine hilfreichen Kommunikationsmedien sind, sicher so sein, dass wir die Verbindung miteinander halten. Ich bin gespannt, wer „meiner“ Studierenden als nächstes mit spannenden Themen einer Abschlussarbeit in Myanmar aufwarten wird ….
Frauke Kraas