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Die transformative Kraft der Städte – auch des Ruhrgebiets?

Im Hauptgutachten des WBGU "Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte" (2016: 278-279) heißt es in Kapitel 5.6 "Das Ruhrgebiet: Die post-industrielle Metropole – polyzentrisch zukunftsfähig" zusammengefasst:

"Mit über 5 Mio. Einwohnern auf einer Fläche von 4.435 km2 ist das Ruhrgebiet die größte deutsche Agglomeration und die fünftgrößte Europas (...) Die maximale Ausdehnung von West nach Ost reicht von Sonsbeck bis Hamm mit 116 km, die längste Nord-Süd-Ausdehnung existiert von Haltern am See bis Breckerfeld und beträgt 67 km. Zusammen mit den Ballungsräumen an der Rheinschiene ist die Metropolregion Rhein-Ruhr die größte in Europa: Auf rund 7.000 km2 leben etwa 11 Mio. Menschen mit einem Höchstmaß an Erreichbarkeit in der westlichen Mitte Europas (...).

Das Ruhrgebiet ist heute weitestgehend als eine reife polyzentrische Stadtregion (...) zu verorten: Polyzentrisch, da es auf mehreren Stadtzentren unterschiedlicher Ausstattung und Bedeutung beruht; und reif, da es für eine tendenziell schrumpfende Bevölkerung über eine ausgereifte Infrastruktur verfügt, die ein hohes Maß an urbanen Dienstleistungen bereitstellt. Zugleich ist der Reifegrad des Ruhrgebiets unvollendet, da es sich als urbane Agglomeration erst spät formierte und sich die Metropolenbildung informell durch die sich nach der Industrialisierung ausdehnenden Einzelstädte vollzog. (...). So konnten etwa die Vorläufer des heutigen Regionalverbands Ruhr (RVR) im 20. Jahrhundert keine dauerhafte und wirkmächtige Governance-Struktur oberhalb der Einzelstädte etablieren. Die einzelnen Städte sind nicht im Laufe der vergangenen Jahrhunderte aus Stadtkernen urwüchsig hervorgegangen, sondern sie formten sich aus kleinen Zentren, Arbeitersiedlungen, Zechen, Brachflächen, Erholungs- und Elitevierteln.

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© Frauke Kraas

In der Städtetypologie entspricht das Ruhrgebiet weder dem Idealtyp der europäischen mittelalterlichen Stadt noch klassischen Industriemetropolen wie London oder Berlin. Markantester Unterschied ist die polyzentrische Struktur der Ruhrregion, die aus vielen mittelgroßen Städten (als größte Essen, zum Höhepunkt der Bevölkerungszunahme 1962 mit 731.220 Bewohnern), gefolgt von Dortmund, Duisburg, Bochum bis hin zu Kleinstädten (Breckerfeld hat nur knapp 9.000 Einwohner) zusammengesetzt ist. Polyzentrismus meint damit die Pluralität verschiedener Pole mit verschiedenen Funktionen, welche den urbanen Raum je anders ausgestalten, ohne eine klare Hierarchie in ökonomischer, kultureller, sozialer oder sonstiger Art vorzugeben (...). Flächenmäßig und hinsichtlich der Einwohnerzahl liegt das Ruhrgebiet auf gleicher Höhe mit anderen Metropolen und Megastädten, doch in planerischer und soziologischer Hinsicht fällt hier weniger die Problematik des Verhältnisses von Kernstadt zu Vororten ins Gewicht als „die inneren Grenzen zwischen mehreren Kernstädten“ (Reicher et al., 2011: 18)."

Diese polyzentrische Metropole wollten wir aus stadtgeographischer Perspektive genauer untersuchen, mit ihren vielen Formen, Facetten und Fragmenten. Was lag näher, als an einem Ende (Dortmund) zu beginnen und den Bogen zu spannen zum anderen Ende (Duisburg) - im Verstehen der geschichtlichen Entwicklungstiefe, der aktuellen Herausforderungen und der zukünftigen Handlungsoptionen.

Zusammenfassend charakterisiert: "Dekonzentration (oder Dezentrierung) kennzeichnet nicht nur die Metropole als Ganzes, sondern auch die meisten Kommunen, die sich in räumlich (meist durch Grünräume und Industrieanlagen bzw. -brachen) getrennte Stadtteile mit zum Teil dörflichen Kernen bzw. als geplante Arbeitersiedlungen zergliedern.

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Diese kleinräumliche Entwicklung war von der historischen Ansiedlung von Bergwerken getrieben; die Großanlagen der Montanbranche (Zechen und Verarbeitung wie Arbeitersiedlungen) waren eigenständige Kristallisationspunkte der weitläufig dispersen Urbanisierung. Diese schritt entlang der (vorindustriellen und neuen) Verkehrswege zwischen den Subzentren voran; die Mobilitätsachsen führten zu einer netzartigen Struktur der Verkehrswege, die sich zu industriellen Hochzeiten ausprägten und nach dem Rückzug der Industrie nicht immer auf heutige Bedürfnisse ausgerichtet sind (...). In ihr blieben weit überdurchschnittlich viele Freiflächen bestehen, die häufig als grüne Zwischenbereiche mit Parkanlagen, Kleingärten, Friedhöfen, Sportplätzen, Waldstücken und Ackerboden für die Erholung der Arbeiterbevölkerung sorgten und ökologisch sinnvolle Korridore sind (...) (WBGU 2016: 279).