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Raus aus Zoom - Rein in den Pott: Eine Ode an reale Exkursionen

© Lena Halstenberg

Auf den Seiten 11 und 12 in den Modulhandbüchern der Masterstudiengänge des Geographischen Instituts finden wir es - das Traummodul aller (zumindest der meisten) Studierenden, das Aufbaumodul Geländeerfahrung. Bereits in den Einführungsveranstaltungen der Ersti-Wochen spricht es sich unter den angehenden Geograph*innen und Lehrer*innen herum – „Im Master, da macht man so eine große Exkursion zusammen.“ Häufig führen die Exkursionen ins Ausland. Bereits mit Bekanntgabe der Exkursionsziele für das anstehende Semester steigt die Vorfreude für diejenigen, die nach langem Warten endlich an der Reihe sind. In diesem Jahr war alles anders, Dozierende als auch Studierende sehen sich mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie konfrontiert. Reiseplanungen ins Ausland erscheinen überflüssig. Achtzehn Studierende entscheiden sich trotzdem, das Vorbereitungsseminar zur Großen Exkursion mit dem Ziel Japan zu belegen. Nach ersten Informationsmails steht fest: Es wird neben dem Plan A auch noch Plan B und C geben. Letzten Endes entscheiden wir uns für Exkursionsziel D, die megaurbane Region Ruhrgebiet.

Warum nun so viel Aufwand für eine Exkursion, die wir nicht einmal zwei Autofahrtstunden entfernt von Köln verbringen werden? Wäre eine virtuelle Exkursion nicht mit einem deutlich niedrigeren Risiko und geringerem organisatorischen Aufwand einhergegangen? Bestimmt! Die Vor- und Nachteile einer realen Exkursion gegenüber einem digitalen Format wurden im Vorhinein von allen Teilnehmenden mehr als ausführlich diskutiert. Aber am Ende der zwei Wochen steht für uns alle fest: Eine reale Exkursion war das Beste, was uns passieren konnte.

Die Realbegegnung mit dem Raum Ruhrgebiet hat uns alle nachhaltig geprägt. Mehrmals wird in einer Diskussion am vorletzten Abend der Exkursion angesprochen, dass unsere Raumwahrnehmung, welche sich bisher auf ein literaturbasiertes Konstrukt stützte, um multiple Aspekte ergänzt wurde. Aspekte, die wir durch die Begehung des Realraums entdeckt haben und an die wir uns, durch die Wahrnehmung mit allen Sinnen, lange Zeit erinnern werden. Gesellschaftliche Konflikte aus erster Hand zu erfahren, verschiedenste Methoden im Raum anzuwenden und Größenrelationen durch kilometerlange Wanderungen oder Fahrradfahrten selbst zu erleben, statt in Fußballfeldern rechnen zu müssen, hat unsere geographischen Kompetenzen nachhaltig gefördert.

Nebst der intensiven thematischen Auseinandersetzung mit dem Raum bot die Exkursion für uns zudem einen weiteren bedeutsamen Mehrwert: Gruppenarbeit in Präsenz. Nach zwei Semestern Online-Lehre waren wir alle mehr als glücklich, mit ‚echten‘ Menschen interagieren zu können und die zweidimensionale Ebene der Zoom-Meetings verlassen zu können. Auch wenn Spieleabende online und Erkundungstouren zu zweit organisiert wurden, kam zumindest beim täglichen Treffen im Speisesaal ein fast familiäres Gefühl auf und der Gruppenzusammenhalt wuchs von Tag zu Tag.

Bei Diskussionsende stand für uns fest, dass die komplexen Eindrücke, die mit einer derartigen Realbegegnung einhergehen, für uns unentbehrlich für eine Exkursion sind. Sofern die Rahmenbedingungen eine Erkundung des Raumes ermöglichen, würden wir uns jederzeit wieder für eine solche Exkursion entscheiden.

Strukturen fühlen. Den Wind spüren. Perspektiven wechseln. Hypothesen überprüfen. Reifen flicken. Flüsse überqueren. Menschen begegnen. Schwitzen, Fluchen, Lachen, Stürzen. Fotos machen. Geschichten erzählen. Ruhrpott erleben. Schön, dass wir dabei waren.

Christin Angenheister