Warum wir (zum Glück) nicht nach Japan geflogen sind, sondern eine Exkursion ins Ruhrgebiet gemacht haben
Alles begann im Sommer 2020 mit der Belegphase in KLIPS 2.0. Wie auch viele andere entschieden wir uns dazu, Japan als das Ziel der großen Exkursion und damit dem Highlight des Geographie-Masterstudiums zu wählen. Nach der Zusage für einen Festplatz war die Vorfreude zunächst enorm. Der Veranstaltung zufolge sollte es unter anderem nach Tokyo, Nikko, Kyoto, Nara, Himeji, Kobe und Hiroshima gehen, um dort urbane Transformationsprozesse erkennen, verstehen und untersuchen zu lernen. Den Nebensatz, dass die Exkursion möglicherweise coronabedingt nicht nach Japan gehen könnte, ignorierten wir zunächst mit naivem Optimismus, da den Sommer über die Inzidenzwerte sehr niedrig waren. Trotz steigender Coronazahlen und einer sehr dynamischen Infektionsentwicklung im November 2020, die durchblicken ließen, dass eine Reise nach Japan im März 2021 unrealistisch sein würde, war die Hoffnung darauf, dass wenigstens Option B – eine Exkursion zu aktuellen Stadtentwicklungsprozessen in europäischen Metropolen – stattfinden könnte, weiterhin groß. Im weiteren Zeitverlauf erübrigte sich jedoch dann sogar Option C, die eine Exkursion innerhalb Deutschlands mit den möglichen Zielen Dortmund, Münster, Bielefeld, Hannover, Magdeburg, Halle, Leipzig, Erfurt vorschlug, und im Januar 2021 stand fest: Es geht (hoffentlich) ins Ruhrgebiet. Die anvisierten Reiseziele sollten die Ruhrpott-Städte Dortmund und Duisburg sein.
Als wir unseren Freunden und Familien davon erzählten, waren die Reaktionen verhalten. Ehrlich gesagt war die Stimmung innerhalb der Exkursionsgruppe nach dieser Info auch, nett gesagt, ausbaufähig. Auch wenn wir uns im Vorbereitungsseminar Ende Januar einstimmig darauf geeinigt hatten, dass die Entscheidung darüber, ob wir wirklich auf Realexkursionen gehen könnten oder ob nicht doch ein komplett digitales Format in Zoom herhalten müsste, gemeinsam getroffen werden würde, hatten einige Exkursionsteilnehmer:innen in den Wochen vor Exkursionsbeginn an dieser Entscheidung schwer zu knabbern.
Sorge um die Ansteckungsgefahr, die Möglichkeiten der Fortbewegung im Raum, die trotz Realexkursion hohe Anzahl an Zoom-Stunden pro Tag und die insgesamt recht hohen Kosten für scheinbar wenig Lernertrag wurden untereinander wild diskutiert und auch an Frau Kraas herangetragen. Empathisch und optimistisch gelang es Frau Kraas jedoch in einem spontan angesetzten Zoom-Meeting, letztendlich allen Teilnehmenden die Sorgen und Ängste zu nehmen, sodass niemand sich entschied, zuhause zu bleiben.
Die konsequente Umsetzung der umfassenden Hygienekonzepte, die sowohl seitens der Uni als auch der Jugendherbergen festgeschrieben waren, wurde auf der Exkursion als weniger einschränkend und anstrengend empfunden als vorher befürchtet. In den sich sogar teilweise vorher unbekannten Zweierteams, die für die gesamte Dauer der Exkursion als Arbeitsgruppengröße festgelegt worden war, herrschte durchgängig Harmonie und gute Stimmung. Das Aufeinandertreffen der Tandems bei den Mahlzeiten im Speisesaal (natürlich auch mit Abstand und großzügiger Lüftung der Räume – der Dank an dieser Stelle geht an Jasper, unserem inoffiziellen Lüftungsbeauftragten!) entwickelte sich schnell zum Highlight des Tages. Auch Spieleabende in Zoom trugen zur guten Gruppendynamik bei, sodass am Ende der 14 Tage trotz Einschränkungen der Abschied von der Gruppe allen schwer fiel. So wurde aus der erwarteten abenteuerlichen Japan-Exkursion mit Eindrücken einer fremden Kultur eine Erkundung des vielen zuvor kaum bekannten und eher als unattraktiv abgestempelten Ruhrgebiets.
Wir denken, es ist nicht zu viel gesagt, wenn wir behaupten, dass wir alle das Ruhrgebiet als Raum besser kennen, schätzen und lieben gelernt haben.
Friederike Hartmann