16: Rückblick
Als „graue Theorie“ würde ich das, was wir Geographinnen und Geographen im Studium lernen, keineswegs bezeichnen. Sich im Feld ein Bild zu machen, eigenständig Neues zu erkunden und sich unmittelbar darüber auszutauschen, verleiht den Themen jedoch eine andere Tiefe und offenbart nochmal, dass wir uns immer mit der Lebensrealität von Menschen befassen. Tourismus kann das räumliche Umfeld und die Lebenswelt der Menschen entscheidend prägen und verändern. Das haben wir in den verschiedensten Formen auf der Exkursion gesehen – angefangen mit der Gestaltung des Sanam Luang, einem zentralen Platz in Bangkok, der mittlerweile zur Bewältigung der Touristenströme in Richtung des nahegelegenen Königspalasts dient, über die Entwicklungen in der Grenzregion von Thailand, Myanmar und Laos in Bezug auf Tourismus, Urbanisierung und die sozialen Folgen, bis hin zu traditionellen Handwerkstechniken in Mandalay als großes touristisches Potenzial. Tourismus in Städten war zwar das Hauptthema unserer Exkursion, aber auch Themen aus den Bereichen Umweltschutz, Landwirtschaft, globale und regionale Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, zwischenstaatliche Beziehungen und die entsprechenden politischen Hintergründe wurden erörtert, sodass einem großen Teil der inhaltlichen Vielfalt des Fachs Geographie Rechnung getragen wurde. Wir sind tief ins Thema Tourismus mit seinen unterschiedlichen Begleitentwicklungen eingetaucht und haben zudem einen guten Überblick über andere raumwirksame Prozesse in der Region erhalten.
Vor Beginn der Exkursion hatte Frau Kraas uns schon darauf eingestimmt, dass wir alle etwas verändert zurückkehren würden. Mich persönlich hat besonders berührt, mit welcher aufrichtigen Gastfreundschaft wir überall empfangen wurden. Bei genauerem Nachdenken fällt mir hierzu eine Vielzahl von Erlebnissen ein. Dass ich von all diesen Momenten an dieser Stelle nicht gebührend berichten kann, ist insofern nicht schlimm, als dass meine Kommilitoninnen und Kommilitonen in den Einzelbeiträgen dieses Blogs sehr schön ihre Erlebnisse mit den Menschen in Thailand und Myanmar schildern. Mir ist die überaus freundliche, interessierte Einstellung gegenüber uns Ausländern besonders aufgefallen, als wir auf unserer langen Fahrt durch Myanmars Shan-Staat eine kurze Pause auf einer Brücke einlegten, um das Landschaftspanorama, das sich uns bot, zu bewundern. Eine Gruppe Frauen wurde auf uns aufmerksam und sie fragten, ob sie ein Foto mit uns machen könnten. Wir stellten uns also auf und es wurden ein paar Bilder gemacht. Eigentlich keine große Sache, aber die Freude, mit der uns die Damen danach ansahen, sich herzlich bedankten und uns die Hände drückten, hat sich doch tief in mein Gedächtnis eingeprägt.
Sowohl in den Städten als auch unterwegs haben wir häufig über touristische Potenziale und die Art und Weise von Inwertsetzung und Vermarktung diskutiert. Inwieweit die Gastfreundschaft, die uns überall entgegengebracht wurde, ein touristisches Potenzial darstellt, das gezielt vermehrt und vermarktet werden kann, ist eine komplexe Frage. Ob eine solche Vorgehensweise erstrebenswert wäre, nochmal eine ganz andere. Was ich jedoch für möglich halte, ist, davon etwas in den eigenen Alltag mitzunehmen und anderen Menschen zukünftig eine ähnlich offene Haltung gegenüber einzunehmen.
Sehr viele Menschen waren an dem Gelingen unserer Exkursion beteiligt. Zunächst ein großes Dankeschön an Frau Kraas für die Organisation, die Leitung und die Einblicke, die sie uns in die beiden Länder und Kulturen ermöglicht hat. Außerdem gebührt unserer Reisebegleiterin in Myanmar, den Dozenten und Studierenden der Chulalongkorn-Universität und der Universität Khon Kaen, die uns auf Etappen unserer Reise begleitet haben, sowie allen, die sich unterwegs um uns gekümmert und willkommen geheißen haben, unser Dank. Zuletzt möchte ich mich auch bei meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen für eine schöne Zeit in einer tollen Gemeinschaft bedanken. Daran, und an unseren kollektiven Geruch nach Anti-Mücken-Spray, werde ich mich noch lange gerne erinnern.
Unsere Exkursion endete Mitte September 2019. Nur wenige Monate später gab es die ersten Meldungen über eine neuartige Lungenkrankheit, die sich seitdem zur Pandemie entwickelt und weltweit das Reisen zunächst zum Erliegen gebracht hat und weiterhin stark einschränkt. Vor dem Hintergrund einer solchen Entwicklung wird einem das Privileg, eine solche Reise gemacht haben zu dürfen, noch einmal bewusster.
Anne Kreutz