11: Wir sind noch nicht bereit zu gehen...
Zwar können wir es seit Tagen kaum erwarten, die Isolation endlich zu verlassen, aber wir sind noch nicht bereit, uns von der Insel zu verabschieden. So entstand bereits zur Halbzeit der Isolation die Idee, unseren Aufenthalt nach der „Haft“ noch etwas zu verlängern. Was am Anfang noch Träumerei war, kristallisierte sich im Laufe der Isolation zu einer Reiseroute von knapp 1000 Kilometern heraus, welche an zwei Tagen bewältigt werden sollten, ehe noch ein weiterer Tag in Reykjavik angedacht war. Jedoch mussten einige unserer ‚Positiven‘ aufgrund von in Deutschland wartenden Verpflichtungen vorzeitig die Abreise antreten, sodass täglich gestaffelte Rückflüge in Kleingruppen genommen wurden.
Nachdem die Pläne geschmiedet waren, mussten wir feststellen, dass ein Führerschein notwendig ist, um ein Auto zu leihen. Damit stießen wir auf unser erstes logistisches Problem: Wenn von sechs Mitfahrern nur eine Person ihren Führerschein im Original dabei hat, wird das Streckenziel nahezu unerreichbar. Glücklicherweise sind die Isländer, so wie wir sie bereits kennenlernen durften, immer freundlich, hilfsbereit und haben stets eine Lösung parat. So reichte ein Scan des Führerscheins unseres zweiten Fahrers aus, um nicht alle Pläne schon vor der Verwirklichung platzen zu lassen. Doch das zweite logistische Problem wartete bereits auf uns: Wie soll man sechs Wuchtbrummen inklusive Gepäck und Verpflegung in einem Siebensitzer unterbringen? Doch auch hier hatten wir das Glück auf unserer Seite und erhielten einen geräumigen Neunsitzer. Nach dem Abholen der drei Autos für alle Kleingruppen und einem letzten gemeinsamen Frühstück, natürlich schon draußen in Freiheit, verstauten wir unser Gepäck und die in den letzten Tagen fleißig gehamsterten Marmeladen und Butterreserven. Jetzt stand unserer Reise nichts mehr im Wege.
Voller Enthusiasmus fuhren wir aus der Hauptstadt hinaus. Zwischen beeindruckenden Lavafeldern, Wasserfällen und Kulturlandschaften fuhren wir entlang der Ringstraße und verliebten wir uns erneut in die Natur des Landes. Zeit für einen kleinen Stopp vorm Eyjafjallajökull, wo auch endlich wieder die Drohne zum Einsatz kam. Nachdem alle Schäfchen wieder im Auto saßen, ging die wilde Fahrt weiter. Zunächst bis nach Vik, was später auch unser Nachtquartier werden würde. Doch ohne Bernd, unseren Logistiker, Koch und Fahrer der Maggy, waren wir anfangs etwas überfragt, welche Mengen Nudeln, Pesto und Brot wir in den nächsten Tagen verspeisen würden. Nach einem etwas chaotischen und vor allem teuren Einkauf ging es eine Viertelstunde bis zum Myrdalsjökull aus dem Ort hinaus. Dort wurde bei strahlendem Sonnenschein eine Mittagspause eingelegt. Als kleiner Vorgeschmack zu dem angesteuerten Jökulsarlon hielten wir nach der Mittagspause am Svinafellsjökull an. Der Gletschersee an einem der Gletscherzungen des Vatnajökull stellte sich als ein vor allem touristisch ruhigerer und für uns noch beeindruckenderer Ort heraus als der circa eineinhalb Stunden später erreichte, wesentlich bekanntere Jökulsárlon. Direkt neben dem Jökulsárlon bewunderten wir den sogenannten Diamond Beach, einen schwarzen Strand mit angespülten Gletschereisstücken, die vom Gletscher über den Jökulsá á Breiðamerkursandi zunächst ins Meer und von dort zurück an den Strand, gespült werden.
Wieder zurück in Vik gab es endlich die lang ersehnten Nudeln für uns zum Abendessen.
An das frühe Aufstehen waren wir nun aus den letzten Wochen gewöhnt. Als allerdings am nächsten Morgen um sechs Uhr, vor Sonnenaufgang, der Wecker klingelte, brachte uns nur die Vorfreude auf unseren am Morgen geplanten Ausflug aus dem Bett. Nachdem wir alle im Halbschlaf unsere uns nun schon sehr bekannten, weil in den letzten Wochen ständig getragenen Klamotten angezogen hatten, stiegen wir ohne Frühstück (und sogar ohne Kaffee!) in unser Auto. Als wir zehn Minuten später am Ziel ankamen, fanden wir genau das wieder, was wir zu der frühen Uhrzeit erhofft hatten: einen fast menschenleeren, im Morgennebel liegenden Reynisfjara-Strand. Lediglich ein paar wagemutige (und sehr naive) Fotografen standen viel zu nah an den Wellen und wurden wenige Augenblicke später samt Kameraequipment von den Wellen getroffen. Wir hielten genügend Abstand zu den Wellen und konnten so trockenen Fußes den Strand mit den Basaltsäulen und den vor der Küste stehenden Reynisdrangar-Spitzen erkunden. Mit bester Laune und zu Island passender kölscher Musik ging es im Auto zurück zu unserer Unterkunft, wo wir erst mal frühstückten.
Der Wetterbericht ließ uns schon vorahnen, dass es ein nasser Tag werden würde, also wappneten wir uns alle mit unserer Regenkleidung, welche wir zuvor in Island kaum aus unseren Taschen holen mussten. Ob das jetzt daran lag, dass unsere Wetterfrösche nicht mehr dabei waren? Unsere ersten Ziele nach dem Frühstück sorgten dafür, dass wir nicht nur vom Regen, sondern auch von den Wasserfällen patschnass wurden. Am Skogafoss, Seljalandsfoss und Gullfoss wartete auf unsere Regenbekleidung der Härtetest. Nun können wir sagen: Einer Dusche unter einem isländischen Wasserfall hält auch die beste Regenjacke nicht stand. So wurden die Fahrten bei voll aufgedrehter Heizung und somit muckeligen 28 Grad im Auto zum Trocknen sämtlicher Kleidungsstücke genutzt. Wetterbedingt funktionierten wir unser Auto ebenfalls zum Speisesaal um und verbrachten die Mittagspause auf einem Parkplatz mit Blick auf den großen Geysir. Da dieser fast gar nicht mehr ausbricht, spazierten wir nach der Mittagspause, ein wenig im Zeitstress, da noch viel für den Tag auf unserer Liste stand, zum Strokkur. Dieser meinte es sehr gut mit uns und brach direkt als wir ankamen gleich zweimal aus.
Also ging es für uns schnell weiter in Richtung Thingvellir. Der Nationalpark, in welchem sich eine Spalte zwischen der eurasischen Kontinentalplatte und der nordamerikanischen Kontinentalplatte gebildet hat, war nicht nur für die physisch geographisch Interessierten ein Erlebnis. Auch hier versorgten wir unseren Instagram-Kanal (island.geoexkursion) mit Videomaterial und Erklärbär-Videos. Eine Chance, welche wir uns selbstverständlich nicht entgehen lassen wollten, war ein Besuch am Fagradallsfjall, dem aktuell eruptierenden Vulkan im Südwesten Islands. Eine unserer Kleingruppen besuchte diesen bereits einen Tag zuvor, doch verheimlichte uns, wie anstrengend der Aufstieg auf den gegenüber vom Vulkan liegenden Berg wirklich ist. Wir stiefelten also nichtsahnend los und merkten bereits nach den ersten hundert Metern, dass das ein sportliches Abendprogramm werden würde. Der Wille, den Vulkan von so nah wie möglich zu sehen, war jedoch zu groß, um vorzeitig aufzugeben. Oben angekommen, sahen wir leider auch keine glühende Lava, aber nichtsdestotrotz hatte sich der Aufstieg gelohnt. Bevor es für uns wieder hinunter ging, schalteten wir uns in das laufende Zoom-Meeting der bereits nach Deutschland Zurückgekehrten ein und konnten somit auch dem Rest der Gruppe – zumindest virtuell – einen Blick auf den Vulkan ermöglichen. Bereits in der Dämmerung begannen wir den Abstieg und, tatsächlich, je dunkler es wurde, desto klarer zeigten sich ein paar glühende Lava-Stellen, welche einen perfekten Abschuss für den erfolgreichen Tag boten.
In der spät am Vorabend erreichten Unterkunft in Reykjavik frühstückten wir nur noch zu viert. Zwei unserer an der Nachspielzeit Teilnehmenden hatten in der Nacht die Unterkunft in Richtung Flughafen verlassen und saßen bereits im Flugzeug. Da wir Reykjavik nicht nur als Isolations-Hotel in Erinnerung halten wollten, nutzen wir den für uns letzten Tag auf Island, um die Hauptstadt zu erkunden. So klapperten wir, ausnahmsweise mal ganz typisch ‚Touri‘, die für Reykjavik bekannten Spots ab. Von der Hallgrimskirkja, der von der Architektur an Basaltsäulen erinnernde Kirche, ging es zur Harpa, dem Konferenz- und Konzerthaus Reykjaviks. Weiter ging unser Weg durch die Stadt zum alten Hafen, ganz in der Nähe der Harpa. Auf dem Rückweg zur Unterkunft spazierten wir einmal um den Tjörnin herum. Nach einer kleinen Stärkung besuchten wir einen für Island so typischen Wollladen, in welchem die Islandpullis noch mit der Hand gestrickt werden. Auch Perlan war Ziel unserer Reykjavík-Erkundungstour. Den Abend ließen wir mit Packen und einer leckeren Nudelmahlzeit ausklingen.
Nachts um drei klingelte der letzte Wecker unserer Island-Reise. Die am frischesten wirkenden (allerdings trotzdem mit einem feinen Schwefelgeruch versetzten) Klamotten wurden mal wieder im Halbschlaf angezogen, bevor es mit dem Bus in Richtung Flughafen ging. Dort erwarteten uns ein übervolles Terminal, Übergepäck und zwei Drogentests bei der Sicherheitskontrolle. Wie bereits andere Herausforderungen während dieser Exkursion, meisterten wir auch diese mit der Hilfsbereitschaft der Isländer. Im Flugzeug sitzend, machten sich die anstrengenden letzten Wochen bemerkbar, sodass so manche nicht einmal den Start in Richtung Frankfurt mitbekamen. Nach dem Touchdown und einer heißhungrig erwarteten Pizza stiegen wir in den Zug. Eineinhalb Stunden später waren auch wir, die bis zuletzt auf Island Verbleibenden wieder zuhause in Köln angekommen. Mit Blick auf den Dom verließen wir den Zug und verabschiedeten uns voneinander, wohlwissend, dass wir uns alle nicht erst nächstes Jahr zur Island-Exkursion 2022 wiedersehen werden.
Anika Horst, Frauke Garmer